Die Quadratwurzel einer Matrix oder Matrixwurzel ist ein Begriff aus der linearen Algebra und verallgemeinert das Konzept der Quadratwurzel einer reellen Zahl. Eine Quadratwurzel einer quadratischen Matrix ist eine Matrix, die mit sich selbst multipliziert die Ausgangsmatrix ergibt. Für symmetrische positiv semidefinite Matrizen lässt sich eine eindeutige Quadratwurzel definieren. Im Allgemeinen muss allerdings weder eine Quadratwurzel existieren, noch muss sie, wenn sie existiert, eindeutig sein.
Quadratwurzel einer positiv semidefiniten Matrix
Definition
Für eine symmetrische positiv semidefinite Matrix
heißt eine ebenfalls symmetrische positiv semidefinite Matrix
Quadratwurzel oder kurz Wurzel von
falls
![{\displaystyle B^{2}=B\cdot B=A}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/349b031c8761077bf7a89811e256f4a3b4c81dfa)
gilt.[1] Die Quadratwurzel von
ist dabei eindeutig bestimmt und wird mit
bezeichnet.
Darstellung
Die Quadratwurzel von
ergibt sich wie folgt. Nach dem Spektralsatz existiert eine orthogonale Matrix
![{\displaystyle Q=(v_{1}\mid \cdots \mid v_{n})\in \mathbb {R} ^{n\times n}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/ca24c2557085e786090c4f7d44603d710e00f55a)
mit paarweise orthonormalen Eigenvektoren
von
als Spalten und eine Diagonalmatrix
![{\displaystyle D=\operatorname {diag} (d_{1},\ldots ,d_{n})\in \mathbb {R} ^{n\times n}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/5237f55e329acd82a306758eb2d1ca8380145dcf)
mit den diesen Eigenvektoren zugehörigen Eigenwerten
auf der Diagonale, sodass
![{\displaystyle A=QDQ^{T}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/7df2e465e16c9923dc6f67e5454e10aefad0da56)
gilt. Die Quadratwurzel von
ergibt sich dann zu
![{\displaystyle A^{\frac {1}{2}}=QD^{\frac {1}{2}}Q^{T},}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/72c4ad2b3189f5f4e736192310c06a54e69e6a26)
wobei die Diagonalmatrix
![{\displaystyle D^{\frac {1}{2}}={\text{diag}}\left({\sqrt {d_{1}}},\ldots ,{\sqrt {d_{n}}}\right)\in \mathbb {R} ^{n\times n}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/3ddeeaec38500b6bb720ca1f4f8bbcfeb765e8e7)
die Quadratwurzeln der Eigenwerte von
auf der Diagonale hat.[1] Nachdem die Eigenwerte einer positiv semidefiniten Matrix
stets reell und nichtnegativ sind, können deren Quadratwurzeln ebenfalls reell und nichtnegativ gewählt werden.
Beispiel
Die Matrix
![{\displaystyle A={\begin{pmatrix}5&4\\4&5\end{pmatrix}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/20fd29f539bef2d9d28dcd88165f0f7fbb0fb80e)
hat die Eigenwerte
und
und
bilden die zugehörige Orthonormalbasis aus Eigenvektoren. Es gilt also
![{\displaystyle A={\frac {1}{\sqrt {2}}}{\begin{pmatrix}1&1\\1&-1\end{pmatrix}}{\begin{pmatrix}9&0\\0&1\end{pmatrix}}{\frac {1}{\sqrt {2}}}{\begin{pmatrix}1&1\\1&-1\end{pmatrix}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/db657b5b65795ae301337245890c08e0bd187251)
zusammengefasst zu
![{\displaystyle A={\frac {1}{2}}{\begin{pmatrix}1&1\\1&-1\end{pmatrix}}{\begin{pmatrix}9&0\\0&1\end{pmatrix}}{\begin{pmatrix}1&1\\1&-1\end{pmatrix}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/5bbd0514ed782f1b79b1aee204ba0af41cb517bd)
und somit
![{\displaystyle A^{\frac {1}{2}}={\frac {1}{2}}{\begin{pmatrix}1&1\\1&-1\end{pmatrix}}{\begin{pmatrix}3&0\\0&1\end{pmatrix}}{\begin{pmatrix}1&1\\1&-1\end{pmatrix}}={\begin{pmatrix}2&1\\1&2\end{pmatrix}}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/138ee18b6cf44815bd60ba8ab234188c29bd6d0b)
Eigenschaften
Das Quadrat der Matrix
ist die Matrix
![{\displaystyle A^{\frac {1}{2}}A^{\frac {1}{2}}=QD^{\frac {1}{2}}Q^{T}QD^{\frac {1}{2}}Q^{T}=QDQ^{T}=A}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/b2760d4da43103a42e3325a474cd04fa560d302f)
Die Matrix
ist symmetrisch:
![{\displaystyle \left(A^{\frac {1}{2}}\right)^{T}=\left(QD^{\frac {1}{2}}Q^{T}\right)^{T}=QD^{\frac {1}{2}}Q^{T}=A^{\frac {1}{2}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/749dd008b8bc70676ccad85be0557866e413888e)
Die Matrix
ist positiv semidefinit (verwendet wird die Verschiebungseigenschaft des Standardskalarprodukts):
![{\displaystyle \left\langle x,A^{\frac {1}{2}}x\right\rangle =\left\langle x,QD^{\frac {1}{2}}Q^{T}x\right\rangle =\left\langle D^{\frac {1}{4}}Q^{T}x,D^{\frac {1}{4}}Q^{T}x\right\rangle \geq 0}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/ef80adb2f4d63e0d38979d13d41a1620c2b0f7ce)
für alle
wobei
gilt. Ist
positiv definit, so ist auch
positiv definit.
Quadratwurzeln beliebiger Matrizen
Definition
Als Wurzel einer quadratischen Matrix
bezeichnet man jede Matrix
die mit sich selbst multipliziert
ergibt:
![{\displaystyle B{\text{ ist Wurzel von }}A\quad \Leftrightarrow \quad B^{2}=BB=A}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/3f28edca726e5f6afa210dd449e0a7141077e0d4)
Man findet auch Quellen, in denen
eine Wurzel von
genannt wird, wenn
gilt.
Für eine Wurzel von
schreibt man auch
Es ist in dieser Notation jedoch unklar, welche Wurzel gemeint ist, da mehrere existieren können.
Anzahl existierender Wurzeln
Wie schon bei der Wurzel aus reellen oder komplexen Zahlen ist die Wurzel aus einer Matrix im Allgemeinen nicht eindeutig. Ist etwa
eine Wurzel aus
dann auch
Anders als bei der Wurzel einer komplexen Zahl können Matrizen auch mehr als zwei Wurzeln haben.
So haben beispielsweise
-Matrizen, deren charakteristisches Polynom in paarweise verschiedene Linearfaktoren zerfällt, bis zu
verschiedene Wurzeln.
Es gibt sogar Matrizen mit unendlich vielen Wurzeln. So besitzt etwa die Einheitsmatrix
unter anderem
für jede komplexe Zahl
als Wurzel.
Weiterhin gibt es Matrizen, für die überhaupt keine Wurzel existiert: Ein Beispiel ist
Geometrische Interpretation von Wurzeln
Betrachtet man die Matrix
als lineare Transformation, das heißt als eine Abbildung zwischen Vektorräumen, durch die einem Vektor
ein Vektor
zugeordnet wird, dann ist eine Wurzel
eine Transformation, die man zweimal hintereinander ausführen muss, um
in
überzuführen.
Beispiel:
sei die zweidimensionale Rotationsmatrix mit dem Winkel
![{\displaystyle A={\begin{pmatrix}\cos \alpha &-\sin \alpha \\\sin \alpha &\cos \alpha \end{pmatrix}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/b12b83e940070aec84a38f05c3eaff818fa1ef05)
Dann ist jede zu einem Winkel
mit einer ganzen Zahl
gehörende Rotationsmatrix eine Wurzel von
Für
erreicht man mit der ersten Multiplikation eines Vektors
mit
eine Drehung um den halben Winkel
und mit der zweiten Multiplikation noch einmal.
Berechnung einer Wurzel
Man kann Wurzeln einer Matrix
der Größe
leicht bestimmen, wenn
eine Diagonalmatrix ist oder sich zumindest in eine Diagonalform überführen lässt (siehe Diagonalisierung).
Fall 1: Diagonalmatrix
Sind die Diagonaleinträge einer Diagonalmatrix paarweise verschieden, so können alle Wurzeln der Diagonalmatrix einfach bestimmt werden, indem von jedem Eintrag auf der Hauptdiagonale eine Wurzel bestimmt wird. Wenn man die Diagonaleinträge von
wie üblich mit
bezeichnet, erhält man damit als Wurzeln von
die Matrizen
![{\displaystyle {\begin{pmatrix}\pm {\sqrt {a_{11}}}&0&\cdots &0\\0&\pm {\sqrt {a_{22}}}&\cdots &0\\\vdots &\vdots &\ddots &\vdots \\0&0&\dots &\pm {\sqrt {a_{nn}}}\end{pmatrix}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/4282cc69e0eb457ab4fadd8f90c3dc3494aa4f0e)
Für jedes der
Diagonalelemente kann man das Vorzeichen beliebig wählen, sodass man
paarweise verschiedene Wurzeln erhält, falls alle Diagonaleinträge von Null verschieden sind. Ist ein Diagonaleintrag Null, so erhält man entsprechend
paarweise verschiedene Wurzeln. Da die Matrix
auch negative Werte auf der Diagonalen besitzen kann, können die Wurzeln auch komplexe Zahlen beinhalten.
Es ist zu beachten, dass es noch weitere Wurzeln geben kann, wenn die Diagonaleinträge nicht paarweise verschieden sind. Diese sind dann jedoch keine Diagonalmatrizen. So hat etwa die Einheitsmatrix unendlich viele Wurzeln, wie bereits oben erklärt wurde. Diagonalmatrizen mit negativen Diagonaleinträgen können in diesem Fall auch reelle Wurzeln besitzen. Zum Beispiel gilt:
![{\displaystyle {\begin{pmatrix}0&1\\-1&0\end{pmatrix}}^{2}={\begin{pmatrix}-1&0\\0&-1\end{pmatrix}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/87710aaf703eb9a2154bfb2ffdf9488ebc3c182d)
Fall 2: Diagonalisierbare Matrix
Ist die Matrix
diagonalisierbar, so kann man auf folgende Weise Wurzeln von
ermitteln:
Man bestimmt zunächst eine invertierbare Matrix
und eine Diagonalmatrix
, sodass
gilt. Die Matrix
hat dann als Spalten Eigenvektoren der Matrix
und die Matrix
als Diagonaleinträge die zugehörigen Eigenwerte.
Ist nun
eine Wurzel von
so ist
eine Wurzel der Matrix
, denn es gilt:
![{\displaystyle (TD^{\frac {1}{2}}T^{-1})^{2}=TD^{\frac {1}{2}}T^{-1}TD^{\frac {1}{2}}T^{-1}=TD^{\frac {1}{2}}D^{\frac {1}{2}}T^{-1}=TDT^{-1}=A}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/383b1bc8ce60ed1c046f05a8f56caba1a199061e)
Da
eine Diagonalmatrix ist, erhält man mögliche Wurzeln wie in Fall 1. Auch hierbei ist zu beachten, dass manche Eigenwerte der Diagonalmatrix negativ sein können, deren Wurzeln sind dann komplex. Falls die Matrix
paarweise verschiedene Eigenwerte hat, erhält man auch wie in Fall 1
bzw.
verschiedene Lösungen.
Fall 3: Nicht diagonalisierbare Matrix
Ist die Matrix
nicht diagonalisierbar, lässt sich mit dem gezeigten Verfahren keine Wurzel berechnen. Dies bedeutet aber nicht, dass
keine Wurzel besitzt: So ist beispielsweise die Scherungs-Matrix
nicht diagonalisierbar, besitzt jedoch die Wurzel
Falls wir beim Rechnen komplexe Zahlen zulassen, so ist jede Matrix
auf jordansche Normalform transformierbar, auch wenn sie nicht diagonalisierbar ist.
Man bestimmt Matrizen
ihre Inverse
und
mit
wobei
die folgende Blockdiagonalform hat:
![{\displaystyle J={\begin{pmatrix}J_{1}&&0\\&\ddots &\\0&&J_{k}\end{pmatrix}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/c29a03ffa6ae99d2b95a75385315590738278bb6)
Die
sind Jordan-Blöcke der Form
![{\displaystyle J_{i}={\begin{pmatrix}\lambda _{i}&1&&&0\\&\lambda _{i}&1&&\\&&\ddots {}&\ddots {}\\&&&\lambda _{i}&1\\0&&&&\lambda _{i}\end{pmatrix}}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/948a54f5cd40f5dda90db75e4c5468f09f254ec3)
Eine Wurzel aus
berechnet sich gemäß
![{\displaystyle A=A^{\frac {1}{2}}A^{\frac {1}{2}}=QJQ^{-1}=QJ^{\frac {1}{2}}J^{\frac {1}{2}}Q^{-1}=(QJ^{\frac {1}{2}}Q^{-1})(QJ^{\frac {1}{2}}Q^{-1})\Rightarrow A^{\frac {1}{2}}=QJ^{\frac {1}{2}}Q^{-1}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/bcd6e9fdc91e0d4937d84de5a32913caa826d40c)
Die Wurzel aus
ist aus jedem Jordan-Block
einzeln zu ziehen.
Falls
gilt, ist die Potenz
eines Jordan-Blocks
durch
![{\displaystyle J_{i}^{\beta }={\begin{pmatrix}\alpha _{i0}&\alpha _{i1}&\alpha _{i2}&\alpha _{i3}\\0&\alpha _{i0}&\alpha _{i1}&\alpha _{i2}\\0&0&\alpha _{i0}&\alpha _{i1}\\0&0&0&\alpha _{i0}\end{pmatrix}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/aafb0d6b14db6179569adfbbf4854d39fa3086c5)
gegeben mit
wobei
die
-te Ableitung der Potenzfunktion
ist. Explizit ergibt sich
und
wobei die Größe des Jordan-Blocks
mit
(in der Darstellung
), die Subdiagonalen mit
(
ist die Diagonale) und die Gammafunktion mit
bezeichnet sind. Für die Quadratwurzel ist
zu setzen.
Für
ergibt sich also beispielsweise
![{\displaystyle J_{i}^{\frac {1}{2}}={\begin{pmatrix}{\sqrt {\lambda _{i}}}&{\frac {1}{2{\sqrt {\lambda _{i}}}}}\\0&{\sqrt {\lambda _{i}}}\end{pmatrix}}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/0e8f204f23b674df788dae654bfcd04a7894a8d0)
Falls
und gleichzeitig
gilt, existiert die Wurzel aus dem Jordan-Block
nicht.
Außerhalb der Jordan-Blöcke stehen lauter Nullen.
Falls
so hat die Zahl
zwei Wurzeln, daher erhält man auf diese Weise für jeden Jordan-Block
zwei verschiedene Wurzeln. So entstehen durch Kombination
Wurzeln, wobei
die Anzahl der Jordan-Blöcke
bezeichnet.
Mit diesem Verfahren bekommt man im Allgemeinen nur einige und nicht alle Quadratwurzeln einer Matrix.
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b Christian Kanzow: Numerik linearer Gleichungssysteme. Direkte und iterative Verfahren. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 2005, S. 13–15.